von Ludger Bönsch
„Endlichkeit“ – das war der eine Pol, an dem ich mich oft erlebte in diesem eigenwilligen und vielseitig spannungsvollen Jahr 2020. Da setzte Corona so unendlich vielem Grenzen und machte deutlich, dass das wie selbstverständlich wiederkehrende keineswegs so verlässlich ist wie zuvor gewohnt und gedacht. Aber Corona zeigte auch Brüchigkeiten auf, scheinbar unmerkliche Risse, die offensichtlich wurden und die es zu betrachten galt. Was davon wird sich heilen lassen? Was von all‘ dem vertrauten wird zurückkehren?
Für mich ging das Projekt der zuversichtlich geplanten Alters-WG in Westermoor7 zu Ende. Und das Goatmilk-Festival in Bela Rechka wird es wohl in seiner mir vertrauten Form nicht mehr geben. Und wie wird sich irgendwann ein volles FC-Stadion anfühlen? Und wie die Arbeit mit meinen Patientinnen und Patienten, wenn ich ihre Mimik, die seit April hinter Masken verborgen bleibt, wiedersehen kann? Und wie irgendwann die kleinen und großen Konzerte, und wie das HaldernPopFestival? Und, und, und …?
Nicht wiederkehren, jedenfalls nicht hier auf Erden in unseren Alltag, wird unsere Mutter. Im Mai erlitt sie einen Schlaganfall und erfreute sich und uns noch gut drei Monate an und mit ihrem Leben im Krankenhaus und in einem Altenheim hier in Köln. Ende August ist sie dann plötzlich an einem zweiten Schlaganfall gestorben …
„Lebenslust“ – der andere Pol meines Jahres 2020, das war sie und ihr Leben in diesen drei Monaten prägend. Nicht ein „Festhalten“ am Leben, kein Klagen über die gewaltige Veränderung ihrer Lebensumstände (bis dahin lebte sie sich allein versorgend in ihrer Wohnung und war nun plötzlich pflegebedürftig) – sondern Dankbarkeit, Neugier und Lust an und in dieser neuen Lebenssituation. Ich habe viel „gelernt“ in dieser Zeit. Oder schon zuvor „gelerntes“ hat sich mehr zeigen und entfalten können: kein Festhalten am Vertrauten, kein Klagen über die Veränderungen meines Lebens – aber „Lebenslust“ mit Dankbarkeit, Neugier, Vertrauen und Zuversicht!
Und es war ja doch auch so viel möglich in 2020! Auch Musik – und ein ganz wunderbarer „Haldern-Tag“ zuhause. Und trotz ausfallendem Kultursommer konnten wir mit unserem Festival „againspeicher“ unsere jungen Künstler auch ohne Öffentlichkeit in der PLEWA-Fabrik kreativ werden lassen. Und dort war auch unter besonderen Umständen möglich, die igt-Tagung (sonst in Lindau eines meiner Jahres-Highlights) zu erleben, diesmal online. Und bulgarisches Singen wurde draußen möglich. Und (fast) wie gewohnt konnte ich im Dezember zehn Tage bei Teresa in Tallinn verweilen. Und mein kleiner Enkel Benjamin lebt mit Lukas und Lena weiter sein sehr besonderes Leben. (Übrigens: wer von diesem mehr lesen möchte, der mag sich gerne bei mir für den Newsletter unseres Vereins „Team Benjamin“, auch übrigens freudig gegründet in 2020, anmelden). Und auch: ich hatte, so will ich es nicht anders sagen: ich hatte das Geschenk, meine Arbeit, mein Tun und Wirken im St.Agatha-Krankenhaus weiter tun zu können! Ungewöhnlich und stets sich verändernd zwar – aber so hatten alle Tage auch vertrautes mit vertrauten und anvertrauten Menschen. Und, und, und …!
Auch ganz viel Licht im Dunklen also – wie es so viele Bäume im in dieser Jahreszeit so dunklen Estland in Tallinn vermitteln, wie es sich die Menschen dort in ihre Stadt holen und sichtbar machen.
Manchen von Euch habe ich schon vom Märchen „Der Drache der Quelle“ erzählt. Lasst Euch diese so wundervolle Geschichte von Gidon Horowitz auf YouTube selbst erzählen! (https://www.youtube.com/watch?v=ZsBZs1YR9kU)
Und was bedeutet es mir und, dass ich es Euch so ans Herz lege? – ganz einfach: Vertrauen – haben können dürfen finden wollen …