Corona Schnee – In Zeiten der Ansteckung

von B.Dietrich

„Ich wünschte, Du würdest mich anstecken mit Deiner Energie, Deinen ständig neuen Ideen“, hatte Leo zu Greta  gesagt, als er sie zum Bahnhof gebracht hatte. Nun war sie wieder abgereist. Lange hatte Leo dem Zug hinterher gewinkt. Er fühlte sich eigentümlich leer und verlassen. “So eine Fernbeziehung ist wohl doch zu anstrengend für mich“, dachte er.

Greta machte sich derweil im Zug ihre Gedanken. „Er ist häufig so negativ“, dachte sie, „so pessimistisch. Manchmal habe ich richtig Angst, dass mich sein depressives Verhalten ansteckt“ .

Sie waren noch nicht lange ein Paar. Doch fühlten sie sich trotz aller Unterschiede sehr voneinander angezogen. Jetzt mussten sie beide überlegen, wie sie mit dem weiten räumlichen Abstand klar kommen könnten. Der Weg von Hamburg nach München war weit.

Ein gefährliches Virus tauchte auf, mit ihm kam der Corona-Lockdown. Die räumliche Entfernung zwischen ihnen bekam eine neue Dimension. Und schneller als erwartet wurde das Reisen zueinander gefährlich. Das Virus war übertragbar. Das Wort “Ansteckung“ bekam eine neue Bedeutung. Es würde nicht mehr nur darum gehen, ob sie sich gegenseitig positiv oder negativ mit ihrer Lebensart anstecken würden. Ihre körperliche Gesundheit war auf einmal bedroht.

Leo erschrak. Greta sollte auf keinen Fall krank werden. „Nimm die Gefahr ernst“, schrieb er ihr, “pass auf Dich auf, bleib mir gesund! Ich warte auf Dich!“  „Jaja“, antwortete Greta, „so schlimm wird es schon nicht werden. Sei doch nicht so ängstlich, steig einfach in den Zug und komm!“

Wo er sich angesteckt hatte, konnte er nicht nachverfolgen. Seine Erkrankung war nicht lebensbedrohlich, aber er musste einige Tage im Krankenhaus verbringen. Greta spürte ihre Hilflosigkeit, weil sie ihn nicht besuchen durfte. Wie erleichtert waren beide, als sie merkten, dass sie sich in dieser schwierigen Zeit durchaus gegenseitig „anstecken“ konnten, trotz Virus, Krankheit und Entfernung.

26 Januar 2021

divanova